Plötzliches unbeherrschtes Einschlafen während der Arbeit, bedrohliche Träume, morgens kaum wach zu kriegen – ist dieser Mensch ein Faulpelz, eine Schlafmütze oder ist er vielleicht krank
Narkolepsie – auch „Schlafsucht“ genannt, ist eine immer noch weitgehend unbekannte neurologische Erkrankung. Die Patienten leiden unter einer permanenten Müdigkeit mit dem unwiderstehlichen Drang zum Einschlafen, als hätten sie nächtelang kein Auge zugetan. Nachts schlafen sie sehr schlecht und sind stundenlang wach. Beim Einschlafen und Aufwachen kann es vorkommen, dass sie sich eine Zeit lang nicht bewegen können, „Schlaflähmung“ genannt. Sie haben ausgesprochen lebhafte, meist angstvolle Träume, die sie als gefährlich real erleben (hypnagoge Halluzinationen). Wie aus heiterem Himmel können sie durch eine plötzliche Erschlaffung der Muskulatur umfallen, oft ausgelöst durch Gemütsbewegungen wie Lachen oder Weinen (Kataplexie). Schläft ein Betroffener während einer bestimmten Tätigkeit ein, kann es passieren, dass er diese fortsetzt, obwohl ein Teil seines Gehirns eigentlich schon schläft. So schreibt er z.B. einen Brief weiter, das Geschriebene ist jedoch nicht lesbar. Dieses „automatische Verhalten“ kann von wenigen Sekunden bis zu 30 Minuten anhalten.
Das erste Auftreten der Erkrankung ist meist unauffällig. Die Patienten erleiden ihre Schlafanfälle in Situationen, in denen auch ein Gesunder müde wird. Allerdings können die Symptome auch plötzlich in Erscheinung treten. Es dauert im Mittel ca. 6,5 Jahre bis zur endgültigen Diagnosestellung.
Gewöhnlich treten die ersten Auffälligkeiten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr auf, jedoch auch Kinder können bereits erkranken. Viele Schlafsüchtige quälen sich und wissen nicht, dass ihr Problem medizinisch verursacht und behandelbar ist. Auch für Ärzte ist die Symptomatik nicht immer leicht zu erkennen. In Deutschland gibt es schätzungsweise 40 000 Narkoleptiker. Schlafforscher gehen jedoch von einer erschreckend hohen Dunkelziffer aus.
Contents
Was passiert beim Gesunden im Schlaf?
Unser Schlaf ist bestimmten Kontrollmechanismen unterworfen. Diese sorgen für eine geordnete Reihenfolge verschiedener Schlafstadien, zu denen auch die Traumphasen gehören. Die Schlafphasen, in denen wir träumen, werden REM-Schlaf genannt (REM englisch = Rapid Eye Movement, übersetzt: schnelle Augenbewegungen). Die anderen Schlafphasen werden Non-REM-Schlaf genannt. REM und Non-REM lösen einander immer wieder ab. In der Non-REM-Phase schlafen wir ruhig und unterschiedlich tief. Unsere Muskulatur ist entspannt, aber nicht schlaff, wir atmen regelmäßig und das Gehirn verbraucht wenig Energie. Im Traumschlaf dagegen schlägt das Herz unregelmäßig, die Atmung wird unruhig und unter den geschlossenen Lidern bewegen sich die Augen heftig hin und her (REM). Das Großhirn wird munter und verbraucht viel Energie. Die Spannung der Muskulatur wird ganz schlaff, nur hin und wieder zuckt der Träumer.
Und wie ist es bei Narkolepsie?
Der rhythmische Wechsel zwischen Schlafen und Wachen ist gestört. Träumt der gesunde Mensch erstmals nach ca. 90 Minuten Schlaf, so setzt diese erste Traumphase bei Menschen mit Narkolepsie bereits kurz nach dem Einschlafen ein. Auch das körperliche Erschlaffen am Tag bis hin zum Zusammensacken und die wachtraumartigen Halluzinationen erinnern an REM-Schlaf-Anteile. Die Kontrollmechanismen des Schlafes geraten durcheinander.
Wie kommt das?
Ursache dieses aus dem Takt geratenen Schlaf-Wach-Verhaltens ist eine Störung der Schlaf kontrollierenden Zentren im Gehirn. Es wird angenommen, dass beim Menschen genetische Veränderungen auftreten, welche unter anderem die Herstellung des chemischen Botenstoffes „Orexin“ (auch Hypocretin genannt) beeinträchtigen. Dieser chemische Botenstoff ist im Gehirn einer der wichtigsten Neurohormone zur Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus. Einige Wissenschaftler halten aber auch eine Autoimmunreaktion gegen Orexin-produzierende Nervenzellen für möglich.
Gibt es eine Therapie?
Die Therapie der Narkolepsie besteht aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Verfahren. Unter letztere fällt die sogenannte Schlafhygiene. Darunter versteht man Verhaltensweisen, die einen gesunden Schlaf fördern. In der medikamentösen Behandlung werden sogenannte Wachmacher eingesetzt, Medikamente, welche Dopaminrezeptoren aktivieren oder auch Stimulanzien. Als Nebeneffekte haben Patienten jedoch mit innerer Unruhe, Angstzuständen oder Gewichtszunahme zu kämpfen.
Für die Diagnosestellung stehen dem Arzt verschiedene Fragebögen und spezielle Testuntersuchungen zur Verfügung. Dank fortgeschrittener Schlaflabortechnik kann die Diagnose einer Narkolepsie heute rasch gesichert werden. Man muss nur daran denken!
Unerkannte und unbehandelte Narkolepsie-Patienten befinden sich oft jahrelang in der Verfassung eines Gesunden, der 48 Stunden nicht mehr geschlafen hat – nur eben ständig.
Stand Januar 2013 | Dr. Ilona Csoti, Gertrudis-Klinik Biskirchen (Text & Bild)