Ausgabe Nr. 145 – Sommer 2018
von Prof. Dr. Claudia Trenkwalder, Chefärztin an der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel, Klinikstraße 16, 34128 Kassel, www.paracelsus-kliniken.de/kassel
Wenn bei langjährigem Verlauf der Parkinson-Erkrankung Schwankungen der Medikamentenwirkung auftreten, sogenannte Wirkfluktuationen, treten dabei Zustände mit oft schwerer Unbeweglichkeit und Tremor sowie andere Zustände mit Überbewegungen auf. Tabletten mit dopaminhaltigen Substanzen, die üblicherweise verabreicht werden, können im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung nicht gleichmäßig genug wirken, um diese Schwankungen auszugleichen. Verschiedene Faktoren – wie eine verzögerte Magenentleerung, unterschiedliche Speisen und damit eine unterschiedliche Aufnahme des Dopamins aus dem Dünndarm ins Blut – rufen diese Wirkungsschwankungen hervor.
Dies kann mit einer gleichmäßigen Gabe eines dopaminerg wirkenden Präparates umgangen werden. Nur eine Gabe außerhalb der Magenentleerung kann diese Wirkung erreichen, z. B. mit einer subkutanen, d. h. unter die Haut zu spritzenden Substanz.
Apomorphin ist, neben der Duodopa-Pumpe, derzeit die einzige Substanz, die zu diesem Zweck verabreicht werden kann und eine starke dopaminerge Wirkung hat.
Eine Behandlung mit der Apomorphin-Pumpe, d. h. mit einer kontinuierlichen Infusionstherapie unter die Haut mit Apomorphin, ist seit vielen Jahren in der Parkinson-Therapie bekannt. Zahlreiche nicht verblindete Studien haben die Wirkung von Apomorphin gezeigt und eine Verbesserung der Unbeweglichkeitsphasen erreicht. Bisher ist es jedoch nicht gelungen, eine große verblindete Studie in mehreren Zentren parallel durchzuführen, um auch eine Scheinwirkung von Apomorphin ausschließen bzw. erfassen zu können.
In der sogenannten TOLEDO-Studie, die 2018 zur Veröffentlichung in der wiss. Fachzeit- schrift „The Lancet Neurology“ ansteht, konnte erstmals gezeigt werden, dass diese Therapie mit kontinuierlicher Apomorphin-Infusion eine deutliche Verbesserung für den Parkinson-Patienten mit Wirkungsschwankungen zeigt.
Es wurden dabei in 23 europäischen Zentren, u. a. in zahlreichen deutschen Parkinson-Zentren, 107 Patienten im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung mit sowohl Unbeweglichkeiten als auch Überbewegungen eingeschlossen, die mit den üblichen Parkinson-Medikamenten in Tablettenform nicht ausreichend behandelt werden konnten. Dabei war gefordert worden, dass die Patienten mindestens drei Stunden oder mehr während des Tages in einem Unbeweglichkeitszustand sein mussten – und dies für mindestens zwei Tage, soweit sie dies in einem Tagebuch festgehalten haben. Es wurde dann über zwölf Wochen eine kontinuierliche Gabe von Apomorphin subkutan mittels Apomorphin-Pumpe zusätzlich zu der vorhandenen Parkinson-Medikation begonnen. Dabei wurde die Dosis langsam um jeweils 0,5 bis 1,0 Milligramm Apomorphin pro Stunde Flussgeschwindigkeit gesteigert.
Dabei wurden Anpassungen in der Tablettendosis erforderlich, idealerweise war während einer Steigerung der Apomorphindosis eine Verringerung der Tablettendosis von sogenannten Dopamin-Agonisten (Pramipexol, Rotigotin, Ropinirol, Piribedil) möglich. Es war jedoch beiden, dem ärztlichen Untersucher und dem Patienten, nicht bekannt,ob Apomorphin oder vielleicht auch ein Scheinpräparat täglich verabreicht wurde. Während der Studie wurden die Patienten regelmäßig bzgl. ihrer Parkinson-Symptome, ihrer Lebensqualität und vieler anderer Symptome untersucht, und sie führten zu bestimmten Zeitpunkten ein Tagebuch über ihre Befindlichkeit. Am Ende der Studie wurden die noch auftretenden Unbeweglichkeitszeiten (Off-Zeiten) und die Überbeweglichkeiten anhand der Tagebücher mit dem Ausgangswert vor Beginn der Studie verglichen. Es zeigte sich, dass bei einer mittleren Dosis von ungefähr 4,5 Milligramm Apomorphin pro Stunde Infusion (nur tagsüber) eine statistisch signifikante Verminderung der Off-Zeiten bei den Patienten aufgetreten war, die Apomorphin erhalten hatten und nicht ein Scheinpräparat. Die Dauer der Off-Zeit betrug ungefähr zwei Stunden weniger, was auch eine deutliche Verbesserung in den alltäglichen Aktivitäten und der Lebensqualität zeigte. Apomorphin wurde gut vertragen. Die bekannten Nebenwirkungen von Apomorphin sind: Übelkeit, Blutdruckabfall, Benommenheit und Müdigkeit. Diese Nebenwirkungen waren auch im Rahmen der Studie aufgetreten, jedoch konnten die meisten Patienten die Studie mit keinen oder nur geringen Nebenwirkungen fortführen. Es wurden keine unerwarteten neuen Nebenwirkungen von Apomorphin bekannt. Es zeigte sich, dass in dieser Studie eine sichere Wirkung von Apomorphin-Infusion auf die Unbeweglichkeitszeiten bestätigt werden konnte, ohne dass damit die Zeit von störenden Überbeweglichkeiten zugenommen hätte. Es ist jedoch auch wichtig zu verstehen, dass Apomorphin nur bei Patienten angewendet werden kann, die auch eine Therapie mit Dopamin-Agonisten vertragen. Patienten mit ausgeprägten Halluzinationen oder Psychosen oder auch deutlichen Einschränkungen im Denken können nur unter sehr vorsichtigen Bedingungen eine Therapie mit Apomorphin erhalten oder sie sind von dieser Therapie ausgeschlossen. Apo- morphin kann Halluzinationen und Psychosen verstärken oder auch erstmals auslösen. Im Rahmen dieser Studie zeigte sich eine gering höhere Rate von Halluzinationen in der Apomorphingruppe, die aber nicht signifikant höher war als in der Gruppe der Patienten, die das Scheinmedikament erhielten. Weiterhin ist wichtig zu erwähnen, dass Apomorphin durch die Injektionsstelle in der Haut meistens im Bereich des Bauchraumes zu Knötchenbildungen im Unterhautfettgewebe führen kann. Dies ist bei einer Reihe von Patienten aufgetreten und eine über die Dauer der Therapie bekannte Nebenwirkung. Diese Knötchen können mit einer Salbe behandelt werden, sind dann oft rückläufig, bei manchen Patienten ist die Knötchenbildung jedoch so ausgeprägt, dass die Therapie abgebrochen werden muss.
Insgesamt sollte bei allen Patienten, die mit Tabletteneinnahme immer wieder wegen Wirkungsschwankungen behandelt werden und sog. Neueinstellungen benötigen, überlegt werden, ob nicht eine Behandlung mit einer Pumpentherapie, oder auch bei jüngeren Patienten vielleicht eine Versorgung mit einem Hirnschrittmacher, infrage kommt. Aufgrund von uns jetzt vorliegenden guten Studien hat sich hier die Haltung der Neurologen in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Die Studien zeigen, dass die Lebensqualität durch den frühen Einsatz dieser Methoden, insbes. auch des Hirnschrittmachers, deutlich verbessert werden kann.