Contents
- 1 Abgrenzung verschiedener Tremorkrankheiten
- 2 Der essenzielle Tremor
- 3 Wie unterscheidet man ein Zittern bei Parkinson von einem essenziellen Tremor?
- 4 Wie wird der essenzielle Tremor festgestellt?
- 5 Kann man den essenziellen Tremor behandeln?
- 6 Bei nur leichter Behinderung durch Zittern besser keine Medikamente
Abgrenzung verschiedener Tremorkrankheiten
Nicht jeder, der ein Zittern seiner Arme, Beine oder des Kopfes bemerkt, muss fürchten an Parkinson zu leiden. Wesentlich häufiger als Morbus Parkinson ist der sogenannte „essenzielle Tremor“. Trotzdem ist diese Erkrankung vielen Menschen nicht bekannt. Man könnte von einer „unbekannten Volkskrankheit“ sprechen.
Der essenzielle Tremor
Essenzieller Tremor ist die häufigste Bewegungsstörung überhaupt. Er wird häufig als Parkinson-Syndrom fehldiagnostiziert. Ärztlicher Rat wird allerdings von vielen Betroffenen nicht aufgesucht, weil Zittern in der betagten Bevölkerung häufig als Teil des „normalen“ Alterungsprozesses betrachtet wird. 0,31–1,7 % der Allgemeinbevölkerung weisen einen essenziellen Tremor auf. Diese Prävalenz nimmt mit dem Alter bei über 40-Jährigen mit 5,5 % und bei über 70-Jährigen mit 12,5 % erheblich zu. Beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen. Essenzieller Tremor in der älteren Bevölkerung wird oftmals als seniler Tremor bezeichnet. Es finden sich zwei Häufigkeitsgipfel für den Beginn des Syndroms: in der 2. und in der 6. Lebensdekade. Beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen.
„Tremor“ ist der medizinische Ausdruck für Zittern. „Essenziell“ nennen Ärzte den Tremor, weil seine genaue Ursache bisher noch nicht vollständig aufgeklärt werden konnte und es für den Tremor keine andere bekannte Ursache gibt. Da es sehr häufig vorkommt, dass es noch weitere Familienmitglieder gibt, die zittern, wird diese Krankheit häufig auch „familiärer Tremor“ oder „familiäres Zittern“ genannt. Das ist jedoch nicht ganz richtig, da dies nur auf etwa 60 % der Betroffenen zutrifft. 40 % sind sporadische Fälle, das heißt, es finden sich in der Familie keine weiteren erkrankten Personen.
Allgemein herrscht das Missverständnis vor, dass „alles, was zittert, Parkinson ist“. Vielleicht liegt dies daran, dass in den letzten Jahren viel über Parkinson berichtet wurde und wir auch einige prominente Parkinson-Patienten in Deutschland haben. Diese Einstellung ist jedoch falsch und führt leider manchmal dazu, dass Patienten mit einem essenziellen Tremor die Diagnose „Parkinson“ erhalten.
Zittern entsteht durch eine unwillkürliche Anspannung und Entspannung der Muskulatur und führt zu einer rhythmischen Bewegung eines Körperabschnittes. Jeder von Ihnen hat schon einmal gezittert, z. B. im Winter vor Kälte oder vor Prüfungen aus Angst. Neben diesem harmlosen, „normalen“ oder physiologischen Tremor gibt es auch noch Medikamente oder andere Krankheiten, die ein Zittern auslösen können. Die Ursache des essenziellen Tremors ist, wie bereits gesagt, noch nicht völlig aufgeklärt. Man weiß jedoch, dass eine gestörte Kleinhirnfunktion eine bedeutende Rolle spielt.
Wie unterscheidet man ein Zittern bei Parkinson von einem essenziellen Tremor?
Ein Zittern wird danach beurteilt, wo das Zittern im Körper auftritt, unter welchen Bedingungen und welche Frequenz es aufweist. Am häufigsten zittern die Arme oder Beine, es kann jedoch auch ein Zittern des Kopfes, des Unterkiefers oder der Stimme auftreten. Das Zittern kann nur in Ruhe zu sehen sein, wenn der Betroffene völlig entspannt ist, oder aber auch nur dann, wenn sich die Arme oder Beine bewegen. Man unterscheidet ein langsames von einem mittelschnellen und schnellen Zittern. Die Geschwindigkeit des Tremors bzw. seine Frequenz wird in Hertz (Hz) angegeben. Es gibt charakteristische Genussmittel, die das Zittern beim essenziellen Tremor verschlimmern können oder aber auch verbessern.
Wenn man all diese Dinge beachtet, kann man den essenziellen Tremor in den meisten Fällen gut vom Parkinson-Tremor unterscheiden. Ein essenzieller Tremor tritt per Definition dann auf, wenn die Hände etwas halten oder eine Tätigkeit ausüben. Dies wird Aktionstremor (Halte- oder Bewegungstremor) genannt. Im Gegensatz dazu ist der typische Tremor eines Parkinson-Patienten ein Ruhetremor, d. h., er tritt auf, wenn der Betroffene völlig entspannt ist, und lässt nach oder verschwindet, wenn die Hände bewegt werden (Ausnahmen bestätigen leider auch hier die Regel). So gibt es Parkinson-Patienten mit einem starken Zittern, welche den ersten Preis im Luftgewehrschießen erhalten haben. Ein weiterer Vergleich: ein Parkinson-Patient greift zitternd nach seiner Kaffeetasse, sobald er diese jedoch in der Hand hält, ist das Zittern verschwunden. Ein Patient mit einem essenziellen Tremor sitzt völlig ruhig am Tisch und greift nach der Tasse. Schon während sich die Hand in Richtung Tasse bewegt, beginnt das Zittern, welches noch weiter zunimmt, sobald er die Tasse in der Hand hält. Manchmal ist Trinken dann nur mithilfe eines Strohhalmes möglich.
Der essenzielle Tremor tritt häufig schon in jungen Jahren in belastenden Situationen auf und nimmt dann langsam über die Jahre hin zu. Außer dem Zittern bemerken die Betroffenen jedoch keine anderen Bewegungsstörungen, fühlen sich also gesund. Parkinson-Patienten berichten jedoch außer über das Zittern auch noch über andere vielfältige Krankheitserscheinungen, insbesondere darüber, dass sie langsamer geworden sind und bestimmte Bewegungen schwerer fallen. Über die Hälfte der Betroffenen geben an, dass es noch weitere Familienmitglieder gibt, die zittern.
Patienten mit essenziellem Tremor bemerken ein deutliches Nachlassen des Tremors nach Alkoholgenuss, was in einigen Fällen die Betroffenen sogar in die Alkoholsucht getrieben hat. Ich kenne einen Professor, welcher vor jeder Vorlesung Alkohol trinken musste, um diese ohne Händezittern halten zu können. Er wurde alkoholkrank und musste eine Entzugsbehandlung durchführen. Trinken die Kranken jedoch Kaffee oder andere koffeinhaltige Getränke, kann das zu einer deutlichen Verstärkung des Tremors führen, ebenso wie Aufregung. Ein Parkinson-Tremor wird durch Alkohol nicht gelindert und nimmt durch Kaffee nicht zu, jedoch bei Aufregung oder Stress. Ein Parkinson-Tremor kann unter einer spezifischen Behandlung mit Parkinson-Medikamenten gelindert oder ganz unterdrückt werden, ein essenzieller Tremor spricht nicht auf Parkinson-Medikamente an.
Zittert außer den Händen auch noch der Kopf (Kopfwackeln), das Kinn oder die Stimme, ist es meist ein essenzieller Tremor. Das Zittern der Stimme hört man am besten, wenn der Betroffene versucht, einen Ton (z. B. ein lautes „Aaaa“) möglichst lange und gleichmäßig zu halten.
Den Patienten ist es oft unangenehm, dass das Zittern für Außenstehende sichtbar ist. Daher kommt es häufig zu einem sozialen Rückzug. Die täglichen Aktivitäten sind zum Teil erheblich eingeschränkt.
Wie wird der essenzielle Tremor festgestellt?
Die Diagnose wird anhand der geklagten Beschwerden sowie des neurologischen Untersuchungsbefundes gestellt. Im Rahmen der ärztlichen Untersuchung sucht man nach den oben beschriebenen Besonderheiten. Bei einem Neurologen kann das Zittern mit einem Messgerät aufgezeichnet werden. Hier findet man ein für einen essenziellen Tremor typisches Bild, welches sich im klassischen Fall deutlich von einem Parkinson-Zittern unterscheidet. Mit Blutuntersuchungen sollte man andere Erkrankungen als Ursache des Tremors ausschließen, z. B. eine Schilddrüsenfunktionsstörung, die auch ein Zittern verursachen kann. Es ist außerdem wichtig, dem Arzt alle Medikamente und Genussmittel anzugeben, da sich auch hier häufig Ursachen für ein Zittern finden lassen. In wenigen Fällen ist es wirklich sehr schwierig, ein Parkinson-Syndrom völlig auszuschließen. Auch ist es leider möglich, an beiden Erkrankungen zu leiden. Eine nuklearmedizinische Untersuchung, welche die Aktivität des Dopaminangebotes im Gehirn misst, kann in diesen Fällen helfen, die richtige Diagnose zu stellen. Sie ist krankhaft verändert bei M. Parkinson, aber normal beim essenziellen Tremor.
Kann man den essenziellen Tremor behandeln?
Eine medikamentöse Behandlung sollte nur dann erfolgen, wenn der Patient Einschränkungen im Alltag verspürt und dann – ganz wichtig – nicht mit Parkinson-Medikamenten! Es gibt nur ein einziges Medikament, welches zur Behandlung des essenziellen Tremors zugelassen ist. Es handelt sich um einen Betablocker, der sonst zur Therapie des hohen Blutdrucks und bei verschiedenen Herzerkrankungen eingesetzt wird. Patienten mit einer Vorschädigung des Herzens, Asthma bronchiale oder Diabetes vertragen dieses Medikament jedoch nicht. Da auch die Herzfrequenz verlangsamt wird, sollten Blutdruck und Puls immer kontrolliert werden, wenn dieses Medikament verabreicht wird. Aus den genannten Gründen ist es häufig aufgrund von Nebenwirkungen nicht möglich, eine ausreichend hohe Dosis dieses Medikamentes zu erreichen. Im ärztlichen Bereich gibt es positive Erfahrungen mit einigen Medikamenten gegen Epilepsie, die jedoch oft auch dann, wenn sie vertragen werden, nur eine Linderung, nicht jedoch das von den Betroffenen gewünschte Verschwinden des Tremors bewirken.
Bei nur leichter Behinderung durch Zittern besser keine Medikamente
Ist das Zittern so stark, dass es den Betroffenen daran hindert, sich selbst zu versorgen bzw. beruflich tätig zu sein, so sollte an die Möglichkeit der tiefen Hirnstimulation gedacht werden, wenn alle medikamentösen Wege ausgeschöpft wurden. Dieses operative Verfahren ist für Patienten mit essenziellem Tremor ebenso als Kassenleistung zugelassen wie für Patienten mit der Parkinsonkrankheit. Beim essenziellen Tremor werden die Elektroden jedoch in andere Zielgebiete im Gehirn implantiert. In der Regel kann dadurch eine deutliche Besserung des Tremors erzielt werden. Diese Operation ermöglicht den Patienten wieder ein „normales“ Leben.
Mit dem DaTSCAN SPECT, einer Aktivitätsmessung des Dopaminstoffwechsels im Gehirn, kann man einen Patienten mit einem essenziellen Tremor (links) von einem Parkinson-Patienten (rechts) unterscheiden. Bei Parkinson ist eine seitendifferent reduzierte dopaminerge Aktivität zu sehen, bei einem essenziellen Tremor ergibt sich ein normales Messergebnis.
Stand August 2012 | Dr. med. Ilona Csoti, Gertrudis-Klinik Biskirchen
Siehe auch: Klassifikation der Tremorerkrankungen