Kathrin Wersing informiert mit ihrem Podcast zu Parkinson
Aus dem Newsletter der Parkinson Stiftung
Kathrin Wersing ist seit ihrem 40. Lebensjahr an Parkinson erkrankt. Getreu dem Motto „Die Diagnose haben wir erhalten, die Prognose liegt in unserer Hand“ hat sie sich aber entschieden, der Erkrankung nicht das Feld zu überlassen. Geholfen haben ihr dabei Gespräche mit anderen Betroffenen, die Sie in ihrem Podcast „Jetzt erst recht – Positiv leben mit Parkinson“ https://jetzt-erst-recht.info dokumentiert. Das besondere und faszinierende an diesen Gesprächen ist, dass nicht die Erkrankung, sondern die Menschen im Fokus stehen – immer zukunftsgewandt und positiv in der Grundstimmung, ohne dabei jedoch die Tiefen und Hürden des Alltags aus dem Blick zu verlieren.
Vor kurzem ist bereits die 40. Folge des Podcasts erschienen, in der Kathrin Wersing zusammengefasst hat, was ihren Gesprächspartnern am meisten beim Leben mit Parkinson hilft:
„Akzeptanz und Offenheit im Umgang mit der Erkrankung, im Leben bleiben, kreativ werden, neue Betätigungsfelder finden, Grübeleien über die Zukunft vermeiden und Unterstützung durch Gemeinschaft finden.“
Kathrin Wersing
Die Podcasts sind für Betroffene, Angehörige und Freunde, aber auch Behandler und Therapeuten äußerst hörenswert. Sie sind über alle bekannten Streaming-Plattformen und über die Webseite https://jetzt-erst-recht.info frei verfügbar.
Die Parkinson-News haben mit Kathrin Wersing über ihre Erfahrungen mit ihrem Podcast und der Parkinson-Erkrankung gesprochen.
Woher kam die Idee für Ihren Podcast „Jetzt erst recht – Positiv leben mit Parkinson“?
Ich war nach meiner Parkinson-Diagnose im November 2019, wie vermutlich die meisten Menschen, zutiefst geschockt und verunsichert. Auf meiner Suche nach mutmachenden Geschichten habe ich so gut wie gar nichts gefunden. Überall habe ich nur die Worte unheilbar, unaufhaltsam und fortschreitend gelesen. Ein Gedanke, der mir immer wieder in den Sinn kam war: „Es muss doch Menschen geben, die auch mit der Krankheit ein gutes Leben führen.“ Da ich zu dieser Zeit gerade begeisterte Podcast-Hörerin war, suchte ich auch dort nach Podcasts zum Thema Parkinson und fand im deutschsprachigen Raum gar nichts. Da war für mich die Idee geboren, diesen Podcast zu starten und damit nach Menschen zu suchen, die mir mit ihren Geschichten Mut und Zuversicht geben können. Bis heute ist es so, dass ich diesen Podcast in allererster Linie für mich selbst mache – eine Art Therapie- und Mutmach-Reise – und ich freue mich sehr darüber, dass mich inzwischen viele Menschen auf dieser Reise begleiten.
Welche Erlebnisse sind Ihnen aus den Podcast-Produktionen am meisten in Erinnerung geblieben?
Es gab viele Gänsehaut-Momente, wenn meine Gäste tolle Gedanken mitbrachten und trotz der Entfernung über Videokonferenz eine große Nähe aufkam. Das Gefühl verstanden und in einer Gemeinschaft getragen zu werden, ist ungemein wichtig für uns alle. Es gibt wirklich eine fantastische Parkinson-Gemeinschaft in Deutschland und weltweit. Ich kann alle nur ermutigen, den Austausch zu suchen.
Auf welchen Wegen finden Sie Ihre Gesprächspartner*innen?
Bei der Suche nach Themen und Gesprächspartner*innen lasse ich mich meist von meiner Intuition leiten. Wenn ich eine Person und ihre Geschichte spannend finde, spreche ich sie an. Oft bekomme ich auch Empfehlungen von meinen Podcast-Gästen. Manche Menschen melden sich per Mail bei mir und möchten ihre Geschichte erzählen.
Mich beeindruckt tatsächlich jeder Mensch. Wie oft machen wir uns nach ein paar Minuten ein Bild von einem Menschen, stufen ihn oder sie als schwierig oder anstrengend ein. Aber ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, sobald wir uns für die Geschichte eines Menschen öffnen, gelangen wir zwangsläufig zu mehr Verständnis und Wertschätzung.
Für die Zukunft meines Podcasts habe ich schon einige Ideen: Ich würde gerne auch Menschen aus aller Welt interviewen, denn einen Blick über den deutschen Horizont fände ich sehr spannend. Außerdem würde ich gerne Fortsetzungsfolgen machen, um bei einigen meiner Gesprächspartner*innen nochmal nachzuhaken, wie ihre Geschichten weitergegangen sind.
Hat der Podcasts Ihren eigenen Umgang mit der Parkinson-Krankheit verändert?
Auf jeden Fall. Ich mache mir nicht mehr so viele Sorgen über meine Zukunft. Ich habe ein tiefes inneres Vertrauen gefunden, dass egal wie schlimm es kommen mag, es immer irgendwie einen Weg für mich geben wird. Aber natürlich gibt es auch in meinem Leben immer wieder Tage, wo ich hadere, verzweifelt bin oder mich doch in Ängsten verliere. Diese Gefühle werden uns alle immer wieder begleiten – wichtig ist es, sie zuzulassen – und am nächsten Tag wieder aufzustehen und weiterzugehen.
Wie findet Ihre Familie Ihre Beschäftigung mit dem Podcast?
Ich fürchte, dass so einiges von unserer Familienzeit für meinen Podcast draufgeht. Ich habe das große Glück einen Mann zu haben, der mir oft den Rücken freihält, der mir Raum gibt für meine vielfältigen Selbsthilfeaktivitäten und oft ohne viel Aufhebens mehr im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung übernimmt. Dafür bin ich unendlich dankbar. Meine Kinder wissen, dass ich einen Podcast mache, finden ihn aber nicht so spannend, vermutlich weil so wenig angesagte Musik und Computerspiele drin vorkommen.
Durch Ihre Gespräche mit anderen Betroffenen haben Sie Einblicke in Unterschiede und Probleme bei der Parkinson-Behandlung erhalten. Welche Eindrücke haben Sie hierbei gewonnen?
Die Behandlung ist zu häufig immer noch ausschließlich auf die motorischen Symptome ausgerichtet. Die vielen nichtmotorischen Anteile der Erkrankung reduzieren für viele Betroffenen aus meiner Sicht noch einschneidender die Lebensqualität. Schmerzen, Depressionen, Inkontinenz oder Probleme in der Sexualität zum Beispiel sind nach außen nicht sichtbar und werden zu oft nicht erstgenommen oder von Patienten aus Scham nicht angesprochen.
Für Frauen wünsche ich mir mehr Forschung und qualifizierte Beratung zu Themen wie Parkinson und Schwangerschaft, Menopause oder Symptomschwankungen in Bezug auf den weiblichen Zyklus.
Wir brauchen einen ganzheitlichen Blick auf den Menschen – und zwar nicht nur bei Parkinson, sondern auch bei vielen anderen chronischen Erkrankungen. Wir haben unglaublich tolle Spezialisten, die aber zu oft nur ihren speziellen Fachbereich sehen. Es braucht meiner Ansicht nach mehr interdisziplinäre Netzwerke auch unter Einbeziehung alternativer Behandlungsmethoden. Und wir brauchen viel mehr Zeit für Behandlung und Gespräche auf Augenhöhe, damit Betroffene sich wirklich wahrgenommen und verstanden fühlen.
Was vermissen Sie als Parkinson-Betroffene in Ihrer eigenen Behandlung?
Ich würde mir mehr fundierte Informationen für Patienten wünschen. Ich verstehe bis heute nicht, warum es keine Patientenschulungen für Menschen mit Parkinson gibt. Die meisten Menschen mit Parkinson müssen sich heute ihr Wissen aus dem Internet zusammensuchen. Vieles was man dort findet, ist wenig hilfreich, häufig beängstigend und widersprüchlich.
Es ist aus meiner Sicht sehr entscheidend, dass wir Patientinnen selbst umfangreich über unser Krankheitsbild, über die Wirkung von Medikamenten und Therapien informiert sind. Denn nur so können wir auch gute Entscheidungen für uns treffen und mit Ärztinnen und Therapeut*innen auf Augenhöhe sprechen.
Welche Wünsche haben Sie für den Weltparkinsontag? Möchten Sie etwas über die Aktion „AktivZeit“ berichten?
Ich engagiere mich seit Juli 2021 in der deutschsprachigen Sektion „Schluss mit Parkinson“, die zur globalen Bewegung der „PD Avengers“ gehört. Wir setzen uns dafür ein, eine weltweite Vernetzung, gerechte Versorgung und Prävention für Menschen mit Parkinson zu fördern. In diesem Rahmen starten wir am Weltparkinsontag die Kampagne „AktivZeit“.
Wir wollen gemeinsam mit Gruppen und Vereinen 500.000 Minuten aktiver Zeit sammeln. Die Zahl steht für die Anzahl der Betroffenen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die aktive Zeit kann allein oder in Gruppen zum Beispiel durch Laufen, Schwimmen, Radfahren, Tischtennis oder auch Yoga und Gymnastik absolviert werden. Die Minuten werden auf einer Online Plattform eingetragen, wo der Fortschritt stets aktuell verfolgt werden kann.
Unsere Kampagne soll einen Beitrag dazu leisten, die Krankheit Parkinson mehr in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, den vielen persönlichen Schicksalen hinter den Zahlen ein Gesicht zu geben und Organisationen miteinander zu vernetzen. Vor allem aber wollen wir Bewegung fördern, denn sie ist neben der Medikation die wichtigste Therapie für die Betroffenen. Mehr Infos dazu gibt es auf unserer Homepage www.aktivzeit.org.
Glossar – die wichtigsten Begriffe, kurz erklärt
In diesem Abschnitt sollen in jeder Ausgabe des Newsletters relevante Begriffe und Ausdrücke mit Bezug zur Parkinson-Krankheit erläutert werden.
Dopamin
Dopamin ist ein Neurotransmitter (Botenstoff) im Gehirn, der bei der Entstehung und Übertragung von Bewegungsimpulsen mitwirkt. Bei der Parkinson-Erkrankung kommt es zu einem Absterben von Dopamin-produzierenden Zellen in einem bestimmten Gehirnareal, der sog. Substantia nigra und damit zu einem Dopamin-Mangel. Die Grundlage der Parkinson-Therapie ist daher der Ausgleich dieses Mangelzustandes durch Zufuhr von Dopaminersatzstoffen mittels verschiedener Medikamente.
Tremor
Der lateinische Ausdruck Tremor bedeutet Zittern. Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung, dass eine Parkinson-Erkrankung immer mit einem Tremor einhergeht, leiden nur etwa zwei Drittel aller Betroffenen an diesem Symptom. Das Auftreten eines Tremors ist daher nicht mit der Diagnose der Parkinson-Erkrankung gleichzusetzen.
Der Parkinson-Tremor ist ein Ruhetremor, der typischerweise beim Beginn einer Willkürbewegung oder beim Wechsel von einer Ruhe- in eine Halteposition abnimmt. Essen und Trinken sind also trotz eines möglicherweise in Ruhe sehr ausgeprägten Tremors oft gut möglich. Häufig ist bei jeder Form von Tremor ein Zusammenhang mit wechselnden emotionalen Zuständen des Betroffenen zu beobachten. Jede Form von (positivem oder negativem) Stress, Unruhe, Angst sowie Aufregung, aber auch Konzentration, kann zu einer Zunahme des Tremors führen.
Haben Sie Interesse an weitergehenden Informationen zu allen Aspekten der Parkinson-Erkrankung? Dann besuchen Sie die Parkinson Online Akademie der Parkinson Stiftung.
Alle Themen werden von angesehenen Experten in Video-Vorträgen allgemeinverständlich aufbereitet und sollen insbesondere Betroffenen, deren
Angehörigen und interessierten Laien ein tieferes Verständnis der Parkinson-
Krankheit und deren Behandlung vermitteln.
Die Sammlung an Vorträgen und Webinaren wird ständig erweitert. Besuchen Sie unsere Website und entdecken Sie die neuen Programmbeiträge.
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