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Flugzeuge produzieren Ultrafeinstaub

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Die Schutzgemeinschaft Filder hat sich einer neuen, noch wenig untersuchten Gesundheitsthematik, die insbesondere durch das Fliegen entsteht, zugewandt. Seit einem guten halben Jahr misst sie den Ausstoß startender und landender Flugzeuge am Stuttgarter Flughafen. Die Ergebnisse sind alarmierend: Der Ausstoß an Ultrafeinstaub ist sehr hoch, die gesundheitlichen Folgen noch nicht abzuschätzen. Wenn auch noch wenig erforscht, sind die gemessenen Werte ein weiterer Grund für die Schutzgemeinschaft Filder, das Fliegen einzudämmen.  Des Weiteren fordert sie Flughafen und Land auf, selbst zu messen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. 

Die großzügige Spende eines Esslingers hat es möglich gemacht: Seit April dieses Jahres misst die Schutzgemeinschaft Filder rund um den Flughafen, wieviel Ultrafeinstaub die Flugzeuge in Stuttgart ausstoßen. Für die Justierung des sehr teuren Messgeräts hatte sie einen Fachmann hinzugezogen. Die Hauptstandorte der Messungen lagen jeweils am Ende der Start- und Landebahn im Osten bei Neuhausen und im Westen zwischen Echterdingen und Bernhausen und auf der Besucherterrasse des Flughafens.

Steffen Siegel, der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Filder, berichtet von einer Messung am Flughafenzaun im Osten, als gerade ein Flugzeug landete: „Schlagartig schlug das Messgerät auf 1,5 Millionen Partikel pro cm3 aus. Die durchschnittliche Größe der gemessenen Partikel des Ultrafeinstaubs verkleinerte sich in diesem Moment auf 10 Nanometer, das entspricht 10 Milliardstel Meter.

Die Zuordnung der Messung zum landenden Flugzeug war eindeutig. Das bedeutet laut Steffen Siegel: „Flugzeuge stoßen riesige Mengen extrem kleiner Teilchen aus.“ Zum Vergleich: Die Partikel des normalen Feinstaubs, der derzeit immer wieder zu Feinstaubalarmen in der Stadt Stuttgart führt, sind einige hundert Mal so groß wie ein Partikel im Ultrafeinstaubbereich. Die Grundbelastung in der Filderregion, abhängig von Straßenverkehr und vielen anderen Quellen, liegt laut Steffen Siegel bei etwa 5 000 bis 15 000 Ultrafeinstaubpartikeln (UFP) pro cm3.  Dabei liegt die durchschnittliche Größe der Teilchen bei 30 bis 50 Nanometer (nm).

Der Unterschied zwischen Feinstaub und Ultrafeinstaub liegt in der Größe der Teilchen. Der „normale“ Feinstaub, der grob gesagt bei 10 µm (Mikrometer, 0,01 Millimeter) liegt, wird eingeatmet und bleibt dann spätestens in den Lungenbläschen stecken. Das kann zu vielerlei Krankheiten bis hin zu Lungenkrebs führen. Die Ultrafeinstaubpartikel dagegen sind so klein, dass sie jede Barriere überwinden, direkt ins Blut gelangen, zu Herzinfarkten führen können und in jedes Organ, sogar bis ins Gehirn dringen können, lautet die Einschätzung von Medizinern.

Wenn man sich die normalen Feinstaubpartikel wie einen Fußball vorstellt, dann sind die kleinsten Feinstaubpartikel, die routinemäßig gemessen werden, so groß wie ein Tennisball. Ein Ultrafeinstaubteilchen ist gerade mal so groß wie ein Stecknadelkopf, kleiner als 100 nm, d.h. kleiner als ein zehntausendstel Millimeter…

Zitat aus dem Fernsehbeitrag des Bayerischen Rundfunks
Ultrafeinstaub am Flughafen München… bis zu 250 000 Partikel pro cm3

Steffen Siegel versucht die Erkenntnisse bei den Messungen einzuordnen und verweist darauf, dass früher Flugzeuge weit sichtbare Dreckschleppen hinter sich herzogen und heute aufgrund modernster Verbrennungsmotoren fast nichts mehr zu sehen ist. „Aber“, schränkt Siegel ein „die modernen Verbrennungsmotoren sind nur vordergründig sauberer, sie erzeugen unsichtbaren Ultrafeinstaub, von dem bisher kaum jemand etwas ahnte und den man außerdem nicht ausfiltern kann.“

Ultrafeinstäube sind die Folge von Verbrennungsprozessen bei Motoren, Industrieanlagen, Kohlekraftwerken, Heizanlagen usw. und nach neusten Erkenntnissen eben besonders bei Düsenflugzeugen. Diese stoßen beim Verbrennen von Kerosin Ultrafeinstaub in gigantischer Menge aus, der sich aber sofort in der Umgebung verteilt. Das erklärt auch, warum es bei den Messungen der Filderschützer beim Start und bei den Landungen Unterschiede gab:  „Weil die landenden Flugzeuge sehr tief anfliegen, ist man den Düsen und damit den Wirbelschleppen, die die Ultrafeinstaubpartikel nach unten drücken, viel stärker ausgesetzt als bei startenden Flugzeugen, die ja beim Starten gleich in steilem Winkel in den Himmel steigen.“

Fazit und Forderungen:

„Ultrafeinstaub ist extrem gefährlich, allerdings gibt es zu den Auswirkungen nur wenige Untersuchungen“, sagt Rolf Keck. „Deshalb können unsere Messungen allein ein Anstoß dafür sein, dass sich das Land und der Flughafen selbst intensiv mit der Ultrafeinstaubmessung und den Gegenmaßnahmen befassen.“  Dabei ist der Schutzgemeinschaft Filder die Initiative gegen Ultrafeinstaub in Mainz ein Vorbild. Joachim Alt von der Initiative Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr (IKUL)) aus Mainz, die sich seit Jahren intensiv mit Ultrafeinstaub befasst,  berichtet von den dortigen Erkenntnissen, von den Messungen in den umliegenden Gemeinden, von der Zusammenarbeit mit Medizinern und mit der der hessischen Landesregierung und ihren meist unbefriedigenden Maßnahmen.

Die SG Filder fordert ebenfalls Messungen am Flughafen und im Umfeld des Stuttgarter Flughafens und in flughafennahen Kommunen durch den Flughafen und seine Teilhaber, das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart. Außerdem sollte nach Ansicht der Schutzgemeinschaft ein Untersuchungsprojekt am Flughafen Stuttgart mit wissenschaftlicher Begleitung initiiert werden.

Die Schutzgemeinschaft sieht in den ersten Ergebnissen ihrer Messungen einen weiteren Grund dafür, das Fliegen stark einzudämmen und keinesfalls weiter auszudehnen. Frank Distel, stellvertretender Vorsitzender der SG Filder bekräftigt: „Es geht um den Klimaschutz, den Gesundheitsschutz von Lärm, Abgasen und Ultrafeinstaub bzw. Feinstaub! Vor allem geht es darum, den Preis des Fliegens an die wirklichen Kosten für die Umwelt anzupassen. Das würde automatisch zu weniger Flugzeugen am Himmel und zu weniger Klimaschädigungen, (Ultra)Feinstaub und Lärm führen.“

Quelle: http://schutzgemeinschaft-filder.de/home/veranstaltungen/news-detailanzeige?tx_news_pi1%5Bnews%5D=473&cHash=03d653dc1e3959e59d5941b1143a9e59

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