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Aus der Sicht des Naturheilarztes

Besser leben mit Parkinson

Hohe Lebensqualität trotz Erkrankung

Dr. med. Rainer Matejka | Naturarzt-Druckausgabe 7/2024

Der englische Landarzt James Parkinson beschrieb die nach ihm benannte Erkrankung erstmals im Jahr 1817. Zehn Millionen Parkinsonkranke soll es weltweit geben, in Deutschland schätzungsweise 200.000 Betroffene -mit wachsender Tendenz. Die Mehrzahl ist 60 Jahre oder älter, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Naturarzt-Chefredakteur Dr. med. Rainer Matejka fasst den aktuellen Wissensstand zusammen und berichtet von naturheilkundlichen Therapieansätzen.

Die Symptome können anfangs sehr unspezifisch und diskret sein, sodass es bis zur Diagnosestellung oft längere Zeit dauert, manchmal jahrelang. Die typische Trias „Rigor“ (Steifigkeit), „Tremor“ (Zittern) und „Akinese“ (Bewegungsarmut) zeigt sich oft erst in fortgeschrittenen Stadien. Am Anfang können unspezifische Symptome wie Nackenverspannung, zunehmende Müdigkeit und Antriebslosigkeit, zuvor noch nicht bekannte Verstopfung oder ein gestörter Schlaf-WachRhythmus auftreten. Wer würde bei diesen verbreiteten Beschwerdenleich an Parkinson denken? Oft bestehen solche Symptome jahrelang, bis dann doch nach und nach die typischen Zeichen der Erkrankung in Erscheinung treten: Zum Beispiel der weitgehende Verlust der Gesichtsmimik beim Sprechen, das langsame Gehen mit kleinen Schritten ohne Armeinsatz oder auch ein „Zittern“, der Tremor. So vielfältig die Symptome sind, so unterschiedlich kann der Verlauf sein. Manchmal verändern sich die Beschwerden jahrelang kaum, in anderen Fällen schreitet die Erkrankung zügig voran.

Weitere Symptome sind neuropsychiatrischer Natur, zum Beispiel Ängstlichkeit und depressive Verstimmungen, Geruchsstörungen oder unspezifische Schmerzen, die nicht richtig erklärt werden können. Später fallen zunehmend kognitive Defizite mit nachlassender Gedächtnisleistung auf. Daneben kennen wir auch atypische Varianten der Parkinsonschen Erkrankung, bei denen weitere Gehirnanteile wie das Kleinhirn in Mitleidenschaft
gezogen werden können. Nicht zu vergessen sind daneben medikamentös ausgelöste Parkinsonerscheinungen, etwa durch Neuroleptika, Antiepileptika oder durch das ab Ende der 1980er bis weit in die neunziger Jahre bei Übelkeit fast reflektorisch verordnete MCP (Metoclopramid).

Ursache unbekannt? Mögliche Hintergründe

Parkinson gilt als zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach Alzheimer. Als Ursache soll in rund zehn Prozent der Fälle ein spezieller Gendefekt maßgeblich sein, ansonsten werden auch Umwelteinflüsse diskutiert. In den 1990er Jahren wurde Quecksilber in Amalgam-Zahnfüllungen als möglicher Auslöser diskutiert. Die Berufsgruppe der Zahnärzte soll besonders stark von der Erkrankung betroffen gewesen sein. Fast könnte ich das bestätigen: Der Zahnarzt, bei dem ich als Kind und „Halbstarker“ war, entwickelte im Alter von etwas über 50 Jahren einen Morbus Parkinson und musste vorzeitig seinen Beruf aufgeben. Sein Vater, ebenfalls Zahnarzt, litt gleichfalls an M. Parkin-son. Seinerzeit war die Zahnversorgung mit Amalgam Standard und das ohne jede Abschirmung oder Abscheider für das ausgebohrte Amalgam.

In den letzten Jahren wurde der Verdacht auf ein Autoimmungeschehen geäußert. Abwegig erscheint das nicht. Die Multiple Sklerose (MS) -ebenfalls eine recht verbreitete neurologische Erkrankung -wird schließlich auch als Autoimmungeschehen gesehen.

Bei M. Parkinson kommt es zu einer verminderten Produktion des Überträgerstoffs Dopamin im Gehirn, genauer gesagt in der „Substantia nigra“, einem Teilbereich im Mittelhirn. Die Bildung von Dopamin setzt ein ausgewogenes Zusammenspiei mehrerer Strukturen im Körper voraus, darunter Nebennierenmark und Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns). Außerdem wird unter anderem die Aminosäure Phenylalanin benötigt. Bei dem Begriff Glückshormon“ denken die meisten an Serotonin -aber auch Dopamin gilt als Glückshormon. Wie kann man dessen Bildung stimulieren?

Stimulatoren und Hemmer von Dopamin

Verschiedene Faktoren regen die Dopaminproduktion im Gehirn an. Dazu zählen Dopaminaktivatoren wie Sport, (gesundes) Essen und Umarmungen (also Körperkontakt), ferner Entspannungsverfahren und Musik. Chronischer Stress hingegen hemmt die Bildung von Dopamin.

Bestimmte Vitalstoffe sind für die Dopaminbildung wichtig (z. B. Vitamin D), offenbar ebenfalls eine mit ausreichend Proteinen ausgestattete Kost. Gerade im Alter wird ein ausreichender Eiweißanteil der Ernährung (z. B. durch Verzehr von Hülsenfrüchten, aber auch von Käse, Nüssen, Avocado) angeraten. Allerdings kann der Körper Dopamin aus Lebensmitteln nicht direkt verwer-ten, da es zu rasch abgebaut wird. Der Körper muss es mit Hilfe der genannten Substanzen selbst herstellen, um es verwerten zu können.

Nun könnte man fragen, warum die Parkinsonsche Krankheit nicht einfach wie eine Schilddrüsenunterfunktion behandelt werden kann. Man führt einfach die fehlende Substanz in Tablettenform zu und gut. Das Problem ist die Blut-Hirn-Schranke. Diese Barriere dient dem Schutz des Gehirns, daher kann sie nicht jedes Arzneimittel ohne weiteres überwinden. Tatsächlich setzt die Neurologie das schrankengängige Levodopa (L-Dopa) seit Jahrzehnten als Arzneimittel ein. Weitere Substanzen, oft in Kombination mit L-Dopa, wie z.B. sogenannte COMToder MAOHemmer bremsen den Abbau des Dopamins im Gehirn. Daneben kommen Dopaminagonisten und Anticholinergika zum Einsatz. Die Dosierungen und eventuelle Kombinationen der Präparate müssen individuell einschleichend und sehr vorsichtig erfolgen. Wichtig ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Neurologen. Ein Standardschema gibt es nicht.

In jüngster Zeit erhofft man sich durch die Entwicklung von Antikörperpräparaten womöglich einen Durchbruch. Das Wort „Durchbruch“ im Zusammenhang mit Parkinson habe ich allerdings auch schon zum Ende meiner Studienzeit gehört. Damals wurde über eine spezielle stereotaktische Operati-on, also einen neurochirurgischen Ein-griff, durch einen mexikanischen Spezialisten berichtet, die zu spektakulären Erfolgen geführt haben soll. Später habe ich davon nie mehr wieder gehört und bin der Meinung, dass der große Durchbruch bei der Parkinson-Behand-lung bislang ausgeblieben ist.

Die Frage ist nun: Kann Naturheilkunde helfen? Sie kann es durchaus und zwar vor allem durch ihre „Klassiker“ Wenn auch keine Heilung zu erwarten ist, so lassen sich aber viele der Beschwerden deutlich lindern. Wie oben angedeutet, kommt offenbar der Ernährung große Bedeutung zu. Deutschlands älteste und größte Parkinson-Fachklinik, die Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel, setzt auf mediterrane Kost: viel frisches Gemüse, hochwertige Fet-te, Fisch, bei gleichzeitig deutlicher Reduktion von Fleisch. Wichtig sind „gute Proteine“ und „gute Fette“. Bei ersteren spielen die beiden aromatischen Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin eine Rolle (wichtig für die Bildung von Dopamin), bei letzteren geht es um die immer wieder in dieser Zeitschrift thematisierten einund mehrfach ungesättigten Fettsäuren, insbesondere Omega-3-Fette. Die Kost soll zudem ausreichend Ballaststoffe enthalten, um ein günstiges Darmmilieu zu unterstützen.

Bereits seit geraumer Zeit gibt es Hin-weise, dass gerade bei neurodegene-rativen Erkrankungen (auch Alzheimer) das Gehirn den Energieträger Glukose nicht mehr gut verwerten kann. Ke-tonkörper (Aceton, Hydroxybutyrat, Acetoacetat), die bei der oxidativen Fettsäureverbrennung entstehen, werden dagegen besser verarbeitet. Durch Nahrungsentzug wie beim Fasten wird die Fettsäureverbrennung angeregt.
Wir nennen das „metabolic switch“. Dieser Vorgang tritt viel schneller ein, als man früher glaubte, nämlich schon nach 13 bis 16 Stunden. Deswegen sind Heilfasten oder Intervallfasten gerade bei Parkinson eine gute Therapie option. Studien zeigen, dass sich das klinische Bild der Patienten dadurch verbessert. Und auch die eigene klinische Erfahrung mit Parkinson-Patienten bestätigt dies. Vor allem die vom Patienten als besonders belastend empfundene Steifigkeit (Rigor) geht zurück, die allgemeine Stimmung und Vitalität bessert sich.
Positive Effekte erzeugt die Optimierung des Darmmilieus, gerade bei den oft zu Verstopfung neigenden Parkinson-Patienten. Im Rahmen von Fastenkuren wird sowieso eine Darm-reinigung durchgeführt, meist mit salinischen Abführmitteln und/oder Einläufen. Geeignet ist ferner die Co-lon-Hydrotherapie auch unabhängig vom Fasten. Dabei wird in meist 45-mi-nütigen Sitzungen der Darm mehrfach unter Druckmanometerkontrolle und gleichzeitiger Bauchmassage mit Wasser gefüllt und durch das Gerät wieder entleert. Ziel ist, eine womöglich bestehende Fäulnisund Gärungssitu-ation im Dickdarm zu reduzieren und den Darm-Leber-Kreislauf (enterohe-patischer Kreislauf) zu entlasten, um anschließend die Entwicklung einer besonders vielfältigen und variantenreichen Darmflora zu ermöglichen. Denn auf diese kommt es offenbar an anstelle einer eher einförmigen Darmflora, wie sie bei weitgehender Ernährung mit Fertignahrungsmit-teln entsteht. Im Anschluss an mehrere Colon-Hydrotherapie-Sitzungen bietet sich die Einnahme gesunder Darmbakterien an, meist Mischungen aus Milchsäure(Lacto-) und Bifidobakterien, denn gerade diese wichtige Säuerungsflora ist bei den meister Menschen reduziert, wie Stuhluntersuchungen zeigen.

Vitalstoffe und Physiotherapie relevante Therapiebausteine

Sehr angeraten ist auch eine labormä Bige Untersuchung der Vitalstoffe (B-Vitamine, Folsäure, Vitamin D, Q10 Magnesium und Omega-3-Profil) unc bei nachgewiesenem Mangel oder La borergebnissen im unteren Normbe reich die Zufuhr der entsprechender Substanzen. Wie bei allem, was mi Nerven zu tun hat, liegt man mit kur mäßigen „Vitamin-B-Aufbauspritzen‘ meist richtig.
Bewährt haben sich neben den be kannten Formen der Krankengymnas tik „auf neurophysiologischer Grund lage“ auch Verfahren wie Osteo pathie, Fußreflexzonenmassage unc Akupunktmassage nach Penzel (APM) ferner Akupunktur. Bekannte Kardinal punkte sind Du Mai 14 und 20 (Nacker und Kopfbereich), Dickdarm 4 (Hand) Gallenblase 20 (Hinterkopf) und Lebe 3 (Fuß). Bei maskenhaftem Gesicht kä men EX-Taiyang, Du Mai 26, Magen < und 6 hinzu. Bei Zittern im Armbereict eignen sich zusätzlich Dickdarm 11 unc Dreifacherwärmer (3E) 5.

Unter dem Strich zeigt die praktische Realerfahrung: Die oft vielfältigen Be schwerden des Parkinson-Patienter immer nur auf die Grunderkrankung zu schieben und außer medikamentö. ser Therapie nichts zu machen, greif zu kurz. Eine Kombination vorstehen. der Empfehlungen ist nach aller Erfah rung durchaus geeignet, Vitalität unc Lebensqualität der Patienten deutlich zu stabilisieren, wenn die Erkrankung nicht zu weit fortgeschritten ist. In der Medizin spricht man heute von einer Verbesserung der Quality of Life (QoL) der Lebensqualität.