Mit neuem Medikament gegen die Ursachen
Quelle: ZDFheute
[…] In Tübingen wird an einer Antikörper-Therapie geforscht.
Kathrin Brockmann, Neurologin am Universitätsklinikum Tübingen, und ihr Forschungsteam suchen im Erbgut von Menschen mit Parkinson nach Mutationen des GBA1-Gens. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung der neurodegenerativen Erkrankung.
Mutationen in diesem Gen erhöhen das Parkinson-Risiko. Davon sind vor allem jüngere Menschen mit Parkinson betroffen. Diese Gruppe zeigt auffällig viel des verklumpten, schädlichen Eiweißes Alpha-Synuclein im Gehirn und im Nervenwasser. Dieses Eiweiß ist für das Absterben bestimmter Nervenzellen im Gehirn mitverantwortlich.
Das Eiweiß unschädlich zu machen, könnte den Krankheitsverlauf verlangsamen oder sogar stoppen.
Prof. Dr. Kathrin Brockmann, Leiterin der Parkinson Ambulanz, Universitätsklinikum Tübingen
Hype oder Hoffnung?
Neue Wege in der Therapie von Parkinson
Weltweit sind Millionen Menschen an Morbus Parkinson erkrankt. Heilung gibt es bislang nicht. Aber Hoffnung. Wie Gen- und Zelltherapie die Behandlung in Zukunft verändern könnten.
von Andreas Kürten
ZDFheute: Frau Professor Brockmann, Sie erforschen Parkinson seit vielen Jahren. Woran arbeiten Sie aktuell?
Prof. Dr. Kathrin Brockmann: Wir haben in einer deutschlandweiten Studie Menschen mit Parkinson genetisch untersucht. Das heißt, wir haben geschaut, ob die Patienten Veränderungen in der Erbinformation haben. Wir gehen davon aus, dass wir unsere Patienten aufgrund unterschiedlicher Erbinformationsveränderungen unterschiedlich einteilen müssen. Alle Patienten haben Parkinson, aber unterschiedliche Stoffwechselwege führen zu dieser Erkrankung. Veränderungen in der Erbinformation bieten einen Anhaltspunkt, ob es sich um Stoffwechselweg A oder B handelt. Dementsprechend sollten unterschiedliche Medikamente zum Einsatz kommen.
Das Ziel soll sein, dass jeder eine möglichst individuelle Therapie bekommt.
Prof. Dr. Kathrin Brockmann, Neurologin, Universitätsklinikum Tübingen
Quelle: Universitätsklinikum Tübingen
… ist Oberärztin für Neurologie am Universitätsklinikum Tübingen und leitet seit 2016 die Parkinson Ambulanz. Seit 2008 forscht sie am Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung und am Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Tübingen. Sie konzentriert sich in ihrer Forschung auf die Einteilung von Parkinson-Patienten anhand von Erbinformationen und biologischen Stoffwechselwegen.
ZDFheute: Wofür ist es wichtig, den Stoffwechselweg zu kennen?
Brockmann: Bei der Parkinson-Erkrankung werden die Nervenzellen geschädigt und sterben irgendwann ab, da sich das krankmachende Eiweiß, Alpha-Synuclein, ablagert und im Laufe der Erkrankung von Nervenzelle zu Nervenzelle wandert. Ein Stoffwechselweg ist, dieses krankmachende Eiweiß abzubauen. Wenn der nicht funktioniert, kann es sich immer weiter ausbreiten und andere Nervenzellen krank machen. Seit ein paar Jahren ist es möglich, das schädliche Eiweiß auch im Nervenwasser von lebenden Patienten nachzuweisen.
ZDFheute: Im Herbst geht es in die heiße Phase einer neuen Studie. Was bedeutet das?
Brockmann: Alle Erkenntnisse, die wir in den letzten zehn Jahren aus den Vorläuferstudien gewonnen haben, werden europaweit in einer neuen Studie zusammengeführt. Patienten, die eine Veränderung in der Erbinformation haben, bekommen ein neues Medikament, das das krankmachende Eiweiß abfangen soll. Damit wollen wir die Gedächtnisleistung der Patienten stabil halten. Denn bei Parkinson treten neben motorischen Einschränkungen auch Gedächtnisstörungen auf – bei unserer Patientengruppe mit dem mutierten GBA1-Gen noch früher als bei anderen.
Aus einem Glas trinken oder einen Schlüssel ins Türschloss stecken: Für Parkinson-Patienten mit einem Tremor wird der Alltag zur Herausforderung. Wie eine Behandlung mit Ultraschall das Zittern lindern kann.04.01.2023 | 5:05 min
ZDFheute: Wie soll das Medikament wirken?
Brockmann: Ziel ist es, dass wir mit einem Antikörper das schädliche Eiweiß im Gehirn abfangen, damit es nicht mehr von Nervenzelle zu Nervenzelle wandert. Ab Herbst bekommen die Patienten diesen Antikörper über zwei Jahre. Dann werden die Daten alle ausgewertet. Es wird nicht nächstes Jahr sein, auch nicht übernächstes Jahr. Aber:
Die Hoffnung ist, dass wir in den nächsten fünf Jahren dieses Medikament auf dem Markt haben.
Prof. Dr. Kathrin Brockmann, Forschungsgruppenleiterin, Universitätsklinikum Tübingen
Es ist das erste Medikament, das bisher den Ansatz zeigen konnte, möglicherweise den Erkrankungsverlauf zu verlangsamen.
Das Interview führten Patricia Schäfer, Korrespondentin im ZDF-Landesstudio Bayern, und Victoria Kunzmann, Redakteurin im ZDF-Landesstudio Baden-Württemberg.